I. Arbeitsunfähigkeit im Sinne der privaten Krankentagesgeldversicherung
Zu welcher Versicherungsart gehört die private Krankentagesgeldversicherung?
Die private Krankentagesgeldversicherung ist eine Verdienstausfallversicherung.[1] Das bedeutet, dass der Versicherungsnehmer bei einem Verdienstausfall, der auf seine durch Krankheit oder Unfall bedingte Arbeitsunfähigkeit zurückgeht, ein vereinbartes Krankentagegeld erhält.[2] Ziel ist es, so die durch die Arbeitsunfähigkeit entstandenen Verdiensteinbußen für den Versicherungsnehmer auszugleichen.[3]
[1] Langheid/Wandt/Hütt VVG § 192 Rn. 127
[2] vgl. § 1 Abs. 1 MB/KT 2009
[3] Langheid/Wandt/Hütt VVG § 192 Rn. 127
Wo wird die private Krankentagesgeldversicherung rechtlich geregelt?
Was ist in der privaten Krankentagegeldversicherung zwingende Voraussetzung dafür, dass der Leistungsfall eintritt?
Es muss Arbeitsunfähigkeit auf Seiten des Versicherungsnehmers bestehen.
II. Definition Arbeitsunfähigkeit
Wie ist der Begriff "Arbeitsunfähigkeit" zu definieren?
Hier ist zunächst § 1 Abs. 3 MB/KT 2009 heranzuziehen. Denn nach dieser Regelung liegt eine Arbeitsunfähigkeit vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht.
1. Berufliche Tätigkeit
Auf welche berufliche Tätigkeit muss abgestellt werden?
Es kann für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit lediglich auf die konkrete Tätigkeit der versicherten Person ankommen, etwaige anderweitige berufliche Tätigkeiten, zu deren Ausübung der Versicherte in der Lage wäre – auch wenn diese Tätigkeiten grundsätzlich von dessen Beruf umfasst sein könnten – nehmen keinerlei Einfluss auf das Bestehen seiner Arbeitsunfähigkeit.[1] Maßgeblich ist ausschließlich die konkrete berufliche Tätigkeit des Versicherten, so dass etwaige Verweisungen an Vergleichsberufe oder sonstige Erwerbstätigkeiten nicht standhalten können.[2] Außerdem kann im Vertrag zwar eine andere berufliche Tätigkeit festgelegt sein – etwa bei einem beruflichen Wechsel nach Vertragsschluss wäre dies denkbar -, es kommt aber nur auf die berufliche Tätigkeit im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls, d.h. der Berufsunfähigkeit, an.[3] Auch die Kenntnis oder Unkenntnis des Versicherers über diese ist an dieser Stelle unbeachtlich.[4]
[1] Prölls/Martin/Voit MB/KT 2009 § 1 Rn. 4
[2] BGH, Urt. v. 09.07.1997 – IV ZR 253/96
[3] Prölls/Martin/Voit MB/KT 2009 § 1 Rn. 5
[4] MAH Versicherungsrecht/Schubach § 23 Rn. 393
Wie verhält es sich, wenn Umstände am Arbeitsplatz der versicherten Person deren Arbeitsunfähigkeit erst verursacht oder mitbedingt haben?
2. Medizinischer Befund
Was versteht man unter einem medizinischem Befund?
Ein medizinischer Befund liegt vor, wenn im Verlauf einer medizinischen Heilbehandlung das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit bei der versicherten Person ärztlich festgestellt wird.
Was ist denklogisch eine zwingende Voraussetzung des medizinischen Befundes?
Es ist erforderlich, dass bei der versicherten Person in Folge von Krankheit oder Unfall eine Heilbehandlung überhaupt medizinisch notwendig war. Dem Begriff der medizinischen Notwendigkeit liegt hier ein mit § 1 Abs. 2 MB/KT 2009 identisches Verständnis zugrunde,[1] so dass er den Anforderungen nach § 192 VVG entspricht.[2]
[1] Bach/Moser/Hütt MB/KT § 1 Rn. 11
[2] Prölls/Martin/Voit MB/KT 2009 § 1 Rn. 2
Kann die Infektionskrankheit eines Familienmitglieds genügen?
Nein, maßgeblich ist, dass Krankheit oder Unfall und die daraus resultierende Heilbehandlung die versicherte Person selbst treffen müssen.
Von wem kann die Arbeitsunfähigkeit festgestellt werden?
Die Arbeitsunfähigkeit muss ärztlich, d.h. durch einen approbierten Arzt oder Zahnarzt, festgestellt werden – eine durch einen Heilpraktiker festgestellte Arbeitsunfähigkeit ist gerade nicht anzuerkennen.[1] Auch die Feststellung durch einen nichtärztlichen Psychotherapeuten genügt bislang nicht.[2]
[1] Langheid/Wandt/Hütt VVG § 192 Rn. 146
[2] Spickhof/J. Eichlberger VVG § 192 Rn. 93
3. Vorübergehend
Wieso ist eine nur vorübergehende Verhinderung wichtig?
4. In keiner Weise
Gibt es Ausnahmen?
Ja, Ausnahmen liegen vor, wenn:
- die versicherte Person zwar noch einzelne Teilaufgaben ihrer beruflichen Tätigkeit ausüben kann, eine Ausübung dieser isoliert aber als nicht sinnvoll zu erachten ist oder
- die Teilaufgaben so unbedeutend sind, dass sie nicht mehr als wertschöpfende Tätigkeit zu werten sind.[1]
[1] Langheid/Wandt/Hütt VVG § 192 Rn. 151
Bei welcher Berufsgruppe ist dieser Punkt häufig problematisch?
Bei Selbstständigen
Grundsätzlich gilt aber gerade bei Selbstständigen, die naturgemäß auch leitende oder aufsichtsführende Tätigkeiten ausüben, dass nur solche, die diese ohnehin selbst zu erledigen hätten und die isoliert betrachtet noch wertschöpfend sind, berücksichtigungsfähig sind.[1]
Im Zweifel ist es empfehlenswert, sich gut anwaltlich beraten zu lassen.
[1] Bach/Moser/Hütt MB/KT § 1 Rn. 19
5. Keine Erwerbstätigkeit
Was bedeutet "keine Erwerbstätigkeit"?
„Keine Erwerbstätigkeit“ stellt darauf ab, dass die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit auch in tatsächlicher Hinsicht nicht ausüben.[1] Maßgeblich für eine Bewertung dessen ist, ob die versicherte Person wertschöpfend tätig geworden ist.[2]
Wichtig ist, dass der Versicherte auch keine anderweitige berufliche Tätigkeit ausüben darf.[3]
[3] Prölss/Martin/Voit MB/KT 2009 § 1 Rn. 9
[1] NK-VersR/Staab VVG § 192 Rn. 57
[2] Langheid/Wandt/Hütt VVG § 192 Rn. 154
III. Problemfälle zur Arbeitsunfähigkeit
Ihr Versicherer sagt, Sie hätten Ihre Mitwirkungspflichten verletzt und er sei somit von seiner Leistungspflicht befreit?
Versicherer stellen sich gerne auf den Standpunkt, der Versicherte habe seine Mitwirkungspflicht nach § 9 Abs. 4 MB/KT 2009 verletzt, indem nicht alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden, so dass der Versicherer von seiner Leistungspflicht befreit sei.
Diesen Vorhalt müssen Sie als Versicherter allerdings nicht hinnehmen, denn Sie sind nicht verpflichtet, jeglichen von einem Arzt angedachten Maßnahmen ohne Weiteres zuzustimmen.[1] Zwar sind Sie grundsätzlich dazu verpflichtet, alles zu tun bzw. zu unterlassen, was der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit dienlich ist.[2] Trotzdem haben Sie eine Überlegungsphase und dürfen sich auch anderweitig beraten lassen – sollte der Versicherer vertreten, dass Sie eine zumutbare diagnostische oder therapeutische Maßnahme grundlos abgebrochen oder nicht angetreten haben, so ist dies äußerst gründlich durch ihn darzulegen.[3]
[1] PHdB-VersProz/Wendt § 11 Rn 270
[2] PHdB-VersProz/Wendt § 11 Rn 270
[3] PHdB-VersProz/Wendt § 11 Rn 270
Liegt noch Arbeitsunfähigkeit oder schon Berufsunfähigkeit vor?
Diese Frage stellt sich sehr regelmäßig, denn gemäß § 15 Abs. 1b MB/KT 2009 entfällt die Leistungspflicht des Versicherers, wenn die versicherte Person zu über 50 % auf nicht absehbare Zeit erwerbsunfähig, also berufsunfähig, ist.
Sollte Ihr Versicherer Leistungen aus diesem Grund verweigern, so können Sie sich hierzu anwaltlich beraten lassen.
IV. Feststellung der Arbeitsunfähigkeit
Wie wird die Arbeitsunfähigkeit festgestellt?
Die versicherte Person muss ihre Beschwerden und Umfang sowie Art ihrer beruflichen Tätigkeit detailliert darlegen – der vollständige Beweis kann in der Regel allerdings erst durch ein gerichtlich bestelltes Sachverständigengutachten erbracht werden.[2] Der Sachverständige wird im Prozess dann aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls und den zugrunde liegenden Behandlungsunterlagen ein Gutachten erstellen.[3]
[2] Egger in: Berufsunfähigkeit: zur Darlegungs- und Beweislast in der Krankentagegeldversicherung, r+s 2013, 261, 262
[3] MAH Versicherungsrecht/Schubach § 23 Rn. 399
Worüber ist der Versicherer beweispflichtig?
Der Versicherer hat zu beweisen, dass die versicherte Person berufsunfähig geworden und somit seine Leistungspflicht geendet ist.[1] Auch ist er beweispflichtig darüber, dass der Versicherte einer Erwerbstätigkeit nachgeht.[2]
[1] Egger in: Berufsunfähigkeit: zur Darlegungs- und Beweislast in der Krankentagegeldversicherung, r+s 2013, 261, 262
[2] NK-VersR/Staab VVG § 192 Rn. 58
Welche prozessualen Möglichkeiten haben Sie als Versicherungsnehmer?
Im Streitfall kann die versicherte Person eine Feststellungsklage auf Fortbestehen des Versicherungsverhältnisses erheben oder im Wege der Leistungsklage inzident auf Zahlung des Krankentagegeldes über eine Beendigung hinaus bestehen.[1]
In Einzelfällen kann auch an eine einstweilige Verfügung auf Zahlung von Krankentagegeld gedacht werden, allerdings kommt dies nur bei Vorliegen einer existentiellen Notlage in Betracht, die sich nach den Regeln der Sozialhilfe bestimmt.[2] Kann die versicherte Person aber Sozialleistungen beziehen, so scheidet eine einstweilige Verfügung grundsätzlich schon aus.[3]
Sie können sich hierzu gerne in meiner Kanzlei beraten lassen.
[1] NK-VersR/Staab VVG § 192 Rn. 61
[2] NK-VersR/Staab VVG § 192 Rn. 59
[3] NK-VersR/Staab VVG § 192 Rn. 59
So erreichen Sie unsere Kanzlei in Köln:
Rechtsanwalt Dr. Martin Riemer
Fachanwalt für Medizinrecht und Versicherungsrecht