Haftpflichtversicherung der Heilberufe
Anders als für die Berufsgruppen der Wirtschaftsprüfer (§ 52 WiPrO), Steuerberater (§ 52 DVStB) und Rechtsanwälte (§ 51 BRAO) sind die Angehörigen der Heilberufe nur in „lockerer Form“ verpflichtet, sich gegen Haftungsrisiken aus ihrer beruflichen Tätigkeit zu versichern. Für geschädigte Patienten, die von Arzthaftung betroffen sind, kann dies zum Problem werden.
Was ist die Heilberufe-Haftpflichtversicherung?
Versicherungssystematisch handelt es sich um eine Sach- und Schadenversicherung, die sich speziell an die Angehörigen der Heilberufe richtet. Sie soll die Praxis des Berufsträgers (Arzt, Zahnarzt, Psychotherapeut, Physiotherapeut, Heilpraktiker, Tierarzt, Apotheker etc.) als Unternehmen und – da diese in aller Regel selbstschuldnerisch haften – sein Privatvermögen vor den Folgen der Inanspruchnahme wegen eines Behandlungsfehlers schützen. Die Kosten von Gesundheitsschäden können exorbitant hoch sein, zu hoch, als dass ein Arzt sie aus eigenem Vermögen selber begleichen könnte. Leicht nachzuvollziehen ist die an den „Extremfällen“ der Geburtsschäden (Gynäkologen) und Hirnschäden (Anästhesisten), die in die Millionenhöhe reichen können. Damit schützt die Heilberufe-Haftpflichtversicherung zugleich auch die geschädigten Patienten vor einer Insolvenz des Therapeuten, da die Versicherung in der Höhe des Deckungsschutzes ein ausreichendes finanzielles Polster bieten soll.
Ist für alle Heilberufe eine Haftpflichtversicherung vorgeschrieben?
Leider nicht. Die „Haftpflichtversicherung“ ist nicht zugleich auch eine „Pflichthaftpflichtversicherung“ für alle Heilberufe. Denn das Berufsrecht der Heilberufe ist in den jeweiligen Heilberufe-Kammergesetzen der Bundesländer geregelt, ohne dass es eine bundeseinheitliche Regelung gibt. Das Berufsrecht der Heilberufe ist nämlich Teil der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 74 GG), d. h. der Bund könnte zwar von seiner Gesetzgebungskompetenz in diesem Bereich Gebrauch machen, hat dies bislang jedoch nicht getan. Daher kann jedes Bundesland für die Angehörigen seiner Heilberufe eine eigene Regelung erlassen, ob und bis zu welcher Höhe sich Therapeuten in seinem Gebiet gegen Regresse zu versichern haben.
Dort – in den Bundesländern bzw. Heilberufe-Kammergesetzen – wo der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung zwingend vorgeschrieben ist, handelt es sich um eine „Pflichthaftpflichtversicherung“, in den übrigen Bundesländern nur um eine „freiwillige Vorsorgemaßnahme“.
Aufgegliedert nach Bundesländern sehen folge Heilberufe-Kammergesetze eine Versicherungspflicht zwingend vor:
- Art.18 Abs.1 Nr.4 Bayerisches Heilberufe-Kammergesetz
- § 31 Abs.1 S.4 Brandenburger Heilberufegesetz
- § 28 Nr.4 Bremer Heilberufegesetz
- § 27 Abs.4 Hamburgisches Kammergesetz für die Heilberufe
- § 32 Abs.1 Nr.6 Heilberufsgesetz Mecklenburg-Vorpommern
- § 30 Nr.4 Heilberufsgesetz Nordrhein-Westfalen
- § 22 Abs.1 Nr.1 Heilberufsgesetz Rheinland-Pfalz
- § 19 Abs.2 Nr.4 des Gesetzes über die Kammern von Heilberufen Sachsen-Anhalt
- § 30 Nr.6 Heilberufekammergesetz Schleswig-Holstein
In sechs anderen Bundesländern finden sich in den Heilberufe-Kammergesetzen nur Ermächtigungen für die jeweiligen berufsständischen Kammern, eine solche Versicherungspflicht in den einschlägigen Berufsordnungen zu regeln („Kann-Vorschrift“), wovon fünf Ärztekammern Gebrauch gemacht haben:
- § 21 Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte Hessen
- § 21 Berufsordnung der Ärztekammer Niedersachsen
- § 21 Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte des Saarlandes
- § 21 Berufsordnung der Sächsischen Landesärztekammer
- § 21 Berufsordnung der Landesärztekammer Thüringen
In Baden-Württemberg schreibt das Gesetz in
- § 31 Abs.2 S.1 Heilberufe-Kammergesetz Baden-Württemberg
der Ärztekammern zwar vor, eine hinreichende Haftpflichtversicherung in ihre Berufsordnungen aufzunehmen, jedoch ohne weitere Inhalte dieser Pflicht zu regeln. Die Ärztekammer hat in § 21 Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg aber eine entsprechende Regelung getroffen.
In Berlin ist eine Versicherungspflicht ausschließlich in den Berufsordnungen geregelt, z. B. in
- § 21 Berufsordnung der Ärztekammer Berlin
In Bayern, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt haben die Berufskammern die Einhaltung der Versicherungspflicht überdies auch sicherzustellen. D. h., der Therapeut muss der aufsichtsführenden Kammer seine Haftpflichtversicherung nachweisen.
Macht die Einordnung als „Pflichthaftpflichtversicherung“ einen Unterschied für die geschädigten Patienten?
Ja, wegen der Mindestversicherungssumme: Handelt es sich bei einer Versicherung um eine Pflichthaftpflichtversicherung (§ 113 VVG), muss die Deckungssumme mindestens 250.000 € pro Schadensfall und 1 Mio. € für die Summe aller Schadensfälle pro Versicherungsjahr betragen (§ 114 VVG). Bei einer rein freiwilligen Versicherung steht es dem Versicherungsnehmer hingegen frei, wie hoch er sich versichern möchte.
Umstritten ist anhand obiger Beispiele aber bereits, wann eine „Pflichtversicherung“ besteht: Nur wenn ein Kammergesetz sie vorschreibt, oder auch bereits dann, wenn ihre Verpflichtung lediglich in einer Berufsordnung geregelt ist.
Besteht bei einer „Pflichthaftpflichtversicherung“ ein Direktanspruch des Geschädigten gegen die Versicherung?
Nein, nicht im Bereich der Heilberufe, sondern nur bei der Kfz-Haftpflichtversicherung, weil dies in § 1 PflVG für den Bereich der Straßenverkehrshaftung ausdrücklich so geregelt wurde, auf den § 115 Abs.1 Nr.1 VVG verweist. Für andere Haftpflichtversicherungen gilt, dass der Geschädigte nur einen Anspruch gegen den Schädiger hat, der wiederum einen sog. Freistellungsanspruch gegen seine Haftpflichtversicherung besitzt. Die Lobby der Versicherungen hat sich gegenüber dem Gesetzgeber damit durchgesetzt, dass sie sich außerhalb der Kfz-Haftpflicht nur mit ihren Versicherungsnehmern auseinandersetzen braucht, nicht aber auch mit den geschädigten Dritten.
Eine Ausnahme, wie ein Direktanspruch des geschädigten Patienten gegen die Haftpflichtversicherung des Therapeuten aber gleichwohl entstehen kann, sieht § 115 Abs.1 Nr.2 und 3 VVG vor: Wenn der Therapeut in die Insolvenz rutscht (Nr.2) oder sein Aufenthalt unbekannt ist (Nr.3).
Für den Fall, dass der Aufenthalt des Therapeuten unbekannt ist, wird ein Direktanspruch gegen seine Versicherung jedoch oftmals nur dann weiterhelfen, wenn er eine „Pflichthaftpflichtversicherung“ abzuschließen hatte. Denn nur in diesem Fall wird seiner berufsständischen Kammer bekannt sein, wo er diese Versicherung unterhielt. In den übrigen Fällen wird der Patient dies wohl kaum je erfahren.
Wie ist mit Selbstbehalten umzugehen?
Der Versicherungsnehmer (Therapeut) kann mit dem Versicherer vereinbaren, dass Deckung nur für Schäden ab einer bestimmten Höhe eintritt. Bis zu dieser Schadenshöhe (Selbstbehalt) muss der Versicherungsnehmer den Schaden grundsätzlich alleine tragen. Liegt der Selbstbehalt z. B. bei 1.500 € und der Schaden bei 5.000 €, so zahlt die Versicherung nur 3.500 € an den Geschädigten (Patienten), bzw. stellt ihren Versicherungsnehmer nur in dieser Höhe frei. Der Selbstbehalt muss vom Versicherungsnehmer selber eingefordert werden, was z. B. im Falle dessen Insolvenz ins Leere läuft. In der freiwilligen Haftpflichtversicherung können Versicherer und Versicherungsnehmer die Höhe des Selbstbehalts frei vereinbaren; nur bei der „Pflichthaftpflichtversicherung“ schreibt der Gesetzgeber regelmäßig vor, wie hoch ein Selbstbehalt maximal sein darf, um den Zweck der Versicherung nicht zu gefährden.
Bei der „Pflichthaftpflichtversicherung“ darf die Versicherung dem Geschädigten gegenüber den Selbstbehalt anders als bei der „freiwilligen Haftpflichtversicherung“ nicht abziehen (§ 114 Abs.2 VVG): Sie muss die volle Schadensersatzforderung im Außenverhältnis tragen, kann bei ihrem Versicherungsnehmer im Innenverhältnis jedoch Regress nehmen.
Kritik am unzureichenden Versicherungsschutz
Nur in sieben Bundesländern kontrollieren die berufsständischen Kammern, ob ihre Mitglieder überhaupt versichert sind. Eine Versicherungspflicht ergibt jedoch nur Sinn, wenn sie auch kontrolliert und Verstöße dagegen sanktioniert werden (bei Rechtsanwälten führt der Wegfall des Versicherungsschutzes gem. § 14 Abs.2 Nr.9 BRAO z. B. zum Entzug der Anwaltszulassung).
Die Schadenshöhe bei Personenschäden kann in den Millionenbereich gehen. Anzunehmen ist zwar, dass die meisten Ärzte mit mehreren Millionen Euro Deckungssumme gegen Schadensersatzforderungen versichert sind, weil heutige Policen dieses so vorsehen. Unbekannt ist aber, wie viele ältere Versicherungspolicen älterer Ärzte es noch geben mag, welche eine Anpassung an die Entwicklung hin auch zu höheren Schmerzensgeldern in der Rechtsprechung nicht realisiert haben.
Der Bundesgesetzgeber sollte tätig werden und zum Schutz der Patienten im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) eine einheitliche Regelung vorsehen, wonach jeder Angehöriger eines Heilberufs für die Dauer seiner Berufsausübung mit mindestens 5 Mio. € pro Schadensfall haftpflichtversichert sein muss.
Stand: 14.02.2018
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