Rechte von Schwerhörigen vor Gericht

Vor allem bei älteren Menschen besteht vor Gericht häufiger das Problem, dass diese nicht mehr vollständig hören können, oder auch taub sind. Diese Personen brauchen dann zusätzliche Hilfe, z.B. durch eine schriftliche Verständigung oder mit Hilfe einer die Verständigung ermöglichenden Person. Für die mündliche Verhandlung hat das Gericht ebenfalls die geeigneten technischen Hilfsmittel bereitzustellen.

Geregelt ist dies in § 186 GVG. Die hör- oder sprachbehinderte Person hat hiernach das Rechts auf eine Wahl zwischen den vorhandenen Mitteln. Als hör- oder sprachbehindert wird eine Person bezeichnet, deren Fähigkeit zu sprechen bzw. das gesprochene Wort akustisch wahrzunehmen so eingeschränkt ist, dass eine Verständigung durch Sprechen oder Hören mit den anderen Verfahrensbeteiligten nicht möglich ist.

Erst bei einem Nichtgebrauch des Wahlrechtes kann das Gericht eine schriftliche Verständigung oder die Hinzuziehung einer Person als Dolmetscher anordnen. Als Dolmetscher kommen neben Gebärden-, Schrift- oder Oraldolmetscher ebenfalls dem Behinderten vertraute Personen ohne formelle Dolmetscherfunktion in Betracht. Ob diese dann zu vereidigen sind, steht im Ermessen des Gerichts (BGH, Urteil vom 24.04.1997 – 4 StR 23/97 (LG Bielefeld)).

Aus einem Beschluss des Bundessozialgerichts 3. Senat vom 28.09.2017, B 3 KR 7/17 B geht hervor, dass die in § 186 GVG geregelte Fürsorgepflicht, in der mündlichen Verhandlung ausreichende Verständigungsmöglichkeiten mit einer hör- oder sprachbehinderten Person sicherzustellen, in vollem Umfang dem Gericht zugewiesen ist. Es handelt sich dabei um eine Amtspflicht. Die Verletzung dieser Pflicht stellt jedoch keinen absoluten Revisionsgrund dar, sondern begründet gegebenenfalls einen Verstoß gegen eine spezielle Form der Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. hierzu ebenfalls BSG vom 17.8.2009 – B 11 AL 11/09 B).

Gemäß einem Urteil des BGH, 2. Strafsenat vom 21.12.1959, 2 StR 519/59, ist es z.B. zulässig, dass ein stummer Angeklagter, der sich im Übrigen schriftlich erklärt, auf Fragen, die mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden können, durch Kopfnicken oder Kopfschütteln antwortet, sofern der Vorsitzende diese Antworten im Wort zu Gehör des Angeklagten und der übrigen Verfahrensbeteiligten wiederholt und auf diese Weise Missverständnisse ausschließt. Durch dieses Verfahren ist die Vorschrift des § 186 GVG somit nicht verletzt worden.

Hochgradige Schwerhörigkeit kann gemäß dem Urteil des BGH, Urteil vom 22. August 1952 – 4 StR 31/51, solange eine unmittelbare Verständigung durch das gesprochene Wort möglich ist, nicht der Taubheit gleichgeachtet werden. Das Gericht hat sich dem Urteil zu Folge der Hilfsmittel zu bedienen, durch die eine sachgemäße Verständigung mit dem Schwerhörigen gewährleistet wird.

Es gibt auch Fälle, die das Gericht vor eine besondere Probe stellen, wie zum Beispiel solche, in denen eine vor Gericht aussagende Person taubstumm ist und dazu auch nicht die deutsche Sprache kennt. Auch die Gebärdensprache ist nicht auf der ganzen Welt gleich zu deuten. Es sind in einem solche Fall folglich sogar zwei Dolmetscher nötig. In den allermeisten Fällen bleibt jedoch als letztes immer noch die Verständigung in Schriftform.

Ein Beitrag von Sinem Simsek.

Erstellt am 21.06.2021

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