Haushaltsführungsschaden
Eine wichtige und aufgrund der Dauerhaftigkeit häufig hohe Schadensposition bei Personenschäden ist der sogenannte Haushaltsführungsschaden.
Nach einem Unfall kann es der betroffenen Person infolge der körperlichen Verletzungen unmöglich werden ihren Haushalt (vollständig) wie früher zu führen. Bei Aufgaben wie Putzen, Waschen oder Gartenarbeit sind sie dann häufig auf fremde Hilfe angewiesen.
Dies stellt einen Erwerbsschaden im Sinne des § 843 Abs. 1 Var. 1 BGB, beziehungsweise bei alleinstehenden Personen sogenannte vermehrte Bedürfnisse im Sinne des § 843 Abs. 1 Var. 2 BGB, dar und ist vom Schädiger zu ersetzen.
Bei der Festlegung der Beeinträchtigung der Haushaltsführung kommt es jedoch nicht auf die sozialrechtliche Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) an, sondern auf die konkrete Fähigkeit, im Haushalt tätig zu sein.[1]
1. Schadenshöhe
Es sind die Kosten einer, orientiert an Art und Größe des Haushaltes erforderlichen und geeigneten, Hilfskraft für den Ausgleich des unfallbedingten Ausfalls in der Haushaltstätigkeit zu ersetzen.
Der erforderliche Arbeitsaufwand wird anhand der Zeit, die der Verletzte vor dem Unfall für seine Haushaltsführung brauchte, bestimmt, für die Stundenanzahl ist dann aber der von einer Fachkraft aufzuwendende Zeitrahmen maßgeblich.[2]
Besonders bei Alleinstehenden ist zu beachten, dass sich beispielsweise während eines stationären Krankenhausaufenthaltes der Haushaltsführungsbedarf deutlich reduziert. Während des Krankenhausaufenthaltes muss zum Beispiel gar kein Essen mehr zubereitet werden und der Reinigungsbedarf reduziert sich auf ein Minimum. Daher beschränkt sich auch der Haushaltsführungsschaden auf die notwendigen Erhaltungsmaßnahmen[3]
a) Konkrete Berechnung
Wenn die geschädigte Person tatsächlich eine Haushaltshilfe einstellt, gestaltet sich die Berechnung der zu ersetzenden Schadenshöhe vergleichsweise einfach.
Die Kosten einer erforderlichen Hilfskraft sind brutto einschließlich aller Sozialabgaben und Steuern vom Schädiger zu ersetzen.
b) Fiktive Berechnung
Stellt die geschädigte Person jedoch keine Hilfskraft ein, sondern greift beispielsweise auf Hilfe von Familienmitgliedern zurück, soll der Schädiger nicht dadurch bessergestellt sein und hat einen fiktiven Schaden zu ersetzen.
In solchen Fällen ist umstritten, wie sich der Stundensatz, von dem die Schadenshöhe abhängig ist, bestimmt.
Das Landgericht Tübingen übernimmt hierzu seit langer Zeit den Stundensatz aus § 17 JVEG (beispielsweise im Urteil vom 06.12.2022 – 5 O 183/21); seit dem Jahr 2021 beträgt dieser 17€. Als Begründung führt es an, durch die Regelung des § 17 JVEG bewerte der Gesetzgeber den Geldwert der Haushaltstätigkeiten.
Von Kritikern dieser Praxis wird dem entgegengehalten, dass das JVEG nicht die Entlohnung von Haushaltshilfen regelt und deswegen ungeeignet ist, für die Ermittlung des (Erwerbs-)schadens herangezogen zu werden.[4]
Es handele sich zudem nicht um eine Inanspruchnahme von wenigen Stunden als Zeuge, sondern um einen deliktischen Schadensersatzanspruch für einen längeren Zeitraum.[5]
Teilweise wird auch auf Bezugsgrößen aus dem Sozialrecht zurückgegriffen.[6]
Gemäß § 42 SGB VII i.V.m. § 54 Abs. 1–3 SGB IX kann einer verletzten Person Haushaltshilfe gewährt werden. Als angemessen gilt hierbei ein kalendertäglicher Höchstbetrag von 2,5 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV.
Da es sich bei dem Schadensersatz um einen Nettobetrag handelt, sollten von dem Orientierungswert 30% abgezogen werden[7], da bei der fiktiven Berechnung keine Sozialabgaben und Steuern anfallen. Aus diesem Grund wurden von vielen Gerichten Stundensätze beschlossen, die unter dem gesetzlichen Mindestlohn liegen (meistens zwischen 8€ und 10€).
Demnach würde sich im Jahr 2023 ein Netto-Stundensatz in Höhe von 10,60€ im Westen und 10,28€ im Osten ergeben.
Wieder andere sind der Meinung, der Stundensatz solle in Anlehnung an das Gehalt der Gehaltsgruppe E5[8] im TVöD oder anhand des „Tarifvertrags für die private Hauswirtschaft und Dienstleistungszentren“ bestimmt werden.[9]
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hielt eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 2 des TVöD für angemessen.[10] Der Netto-Stundensatz würde dann 10,06 € betragen.
In einem Urteil vom Landgericht Köln[11] sah das Gericht mit dem Sachverständigen auch „die Notwendigkeit, die zugrunde zu legenden fiktiven Entgelte im Rahmen des Schätzermessens nicht statisch, sondern dynamisch zu definieren. Denn die Entwicklung des wirtschaftlichen Werts ist bei Dauerschäden eine sachgerechte Schätzgrundlage und die grundsätzlich legitime und zum Zwecke einer einheitlichen Rechtsprechung wünschenswerte Orientierung der Gerichte untereinander darf nicht dazu führen, dass eigentlich dynamische Größen wie die eines fiktiven Entgeltwerts langfristig stagnieren“, sodass der Stundensatz von 12,37€ im Jahr 2010 bis 2019 auf 15,25€ stetig gestiegen ist.
2. Ersatzzeitraum
Da die Einschränkungen oft lebenslang anhalten, ist fraglich, ob auch der Haushaltsschaden (in vollständiger Höhe) bis ans Lebensende gezahlt werden muss.
Es ist schließlich zu beachten, dass die Arbeitskraft mit wachsendem Lebensalter naturgemäß nachlässt, insbesondere soweit es sich um schwere körperliche Arbeit handelt und es wird teilweise ein Ende des Anspruchs oder zumindest eine Herabsetzung etwa ab dem 75. Lebensjahr gefordert.[12]
Unter dem Gesichtspunkt der allgemein steigenden Lebenserwartung haben sich aber auch einige Gerichte dagegen ausgesprochen, den Anspruch auf den Haushaltsführungsschaden zeitlich zu begrenzen.[13] Der Haushaltsführungsschaden müsste also bis ans Lebensende des Geschädigten geleistet werden.
(Stand: 6.9.2023)
[1] Gräfenstein/Strunk: „Der Haushaltsführungsschaden“ NVZ 2020, 176
[2] Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Jahnke BGB § 842 Rn. 108-110a
[3] BGH NZV 2009, 278; OLG Hamm NZV 2004, 631; OLG Nürnberg BeckRS 2016, 01225
[4] Balke: Stundenlohn beim Haushaltsführungsschaden SVR 2016, 59
[5] Wenker, jurisPR-VerkR 4/2014 Anm. 2
[6] Wessel: „Anmerkungen zum Haushaltsführungsschaden im Verletzungsfall“ DAR 2020, 429
[7] OLG Jena, Urteil vom 13.04.2022 – 2 U 1250/20
[8] Gräfenstein/Strunk: „Der Haushaltsführungsschaden“ NVZ 2020, 176
[9] Lang: „Der Haushaltsführungsschaden im Verletztenfall – eine sehr wichtige und interessante Schadensposition“ DAR 2022, 301
[10] OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.4.2021 – 1 U 38/20
[11] LG Köln, Urteil vom 22.12.2020 – 3 O 224/16
[12] BGH, Urteil vom 7. 5. 1974 – VI ZR 10/73
[13] OLG Köln, Urteil vom 25.11.2015 – 5 U 73/14; OLG Koblenz, Urteil vom 18.4.2016 -12 U 996/15
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