Die private Unfallversicherung
Was ist eine private Unfallversicherung und was sichert sie ab?
Eine private Unfallversicherung ist eine private Versicherung, die, weiter als die gesetzliche Unfallversicherung, alle Unfälle des täglichen Lebens, also sowohl im beruflichen als auch im privaten, abdeckt. Sie greift ein, wenn dem Versicherten durch einen Unfall – definiert in § 178 Abs. 2 Satz 1 VVG als plötzlich von außen auf den Körper des Versicherten einwirkendes Ereignis – ein dauerhafter, unfreiwilliger Schaden an Körper oder Gesundheit entsteht. Hierbei kommt es im Einzelfall auf den mit der Versicherung abgeschlossenen Vertrag an.
Als Unfall gilt auch, wenn sich die versicherte Person durch eine erhöhte Kraftanstrengung ein Gelenk an Gliedmaßen oder der Wirbelsäule verrenkt, Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln an Gliedmaßen oder der Wirbelsäule zerrt oder zerreißt. Es können auch Krankheiten aufgrund von Insektenstichen umfasst sein.
Eine dauerhafte Beeinträchtigung ist dann gegeben, wenn der Zustand voraussichtlich mehr als drei Jahre andauern wird und eine Änderung des Zustandes auch nicht erwartet werden kann (§ 180 VVG). In diesem Fall gibt es die Möglichkeit der Zahlung einer einmaligen Invaliditätszahlung oder einer monatlichen Unfallrente. Die Höhe der Zahlung bestimmt sich nach der sogenannten Gliedertaxe sowie der vereinbarten Versicherungssumme. Eine Ermittlung des entgangenen Gewinns findet dagegen nicht statt. Daneben können weitere Leistungen wie Krankenhaustagegelder, Gelder für kosmetische Operationen, Bergungskosten oder auch Leistungen für den Todesfall vereinbart werden.
Was ist nicht von der privaten Unfallversicherung umfasst?
Nicht umfasst ist die allgemeine Berufsunfähigkeit. Zwar kann durch die Invaliditätszahlung ein gemindertes Einkommen aufgefangen werden, jedoch kommt es nur auf das Vorliegen eines unfallbedingten Schadens an, unabhängig davon, ob der Versicherte seinem Beruf noch nachgehen kann oder nicht. Der Schwerpunkt liegt auf dem Unfall, bei anderen Ursachen greift die Versicherung nicht.
Ebenso nicht umfasst sind sogenannten Vorschäden (auch Vorinvalidität oder Mitwirkung genannt). Damit ist gemeint, dass der Versicherte bereits an einem Dauerschaden leidet, der zur Funktionseinschränkung führt. Solche Schäden sind in den Krankenunterlagen bereits aufgeführt, können zumeist genau beziffert werden und dürfen von der Versicherung entsprechend gekürzt werden. Dabei sind „alterstypische Verschleißerscheinungen“ keine Vorschäden in diesem Sinne.
Zu beachten ist ebenfalls, dass Unfälle die zu kurzzeitigen Schäden führen, ebenfalls nicht umfasst sind. Lediglich dauerhafte Beeinträchtigungen sind abgesichert.
Vorgehen im Schadensfall
Ist ein Unfall eingetreten für den eine Versicherungsleistung in Anspruch genommen werden soll, muss dieser unverzüglich, in der Regel spätestens innerhalb einer Woche bei der Versicherung gemeldet werden. Weiter muss innerhalb einer in dem Versicherungsvertrag festgelegten Frist – üblicherweise 12 bis 15 Monate – durch eine (fach-)ärztliche Bescheinigung der Eintritt einer Invalidität, also einer körperlichen Beeinträchtigung, festgestellt und dokumentiert werden.
Bei der Schilderung des Unfalls ist es wichtig ehrlich und genau zu sein und nichts zu beschönigen. Schuldeingeständnisse sind dabei fehl am Platz.
Hier können bereits Fehler auftreten, die sich im späteren Verlauf schwer korrigieren lassen. Bei Unsicherheiten empfiehlt es sich, anwaltlichen Rat zu suchen.
Welche Probleme können auftreten?
Problematisch wird es meist nach der Meldung des Schadens an die Versicherung. Diese sind bemüht, die Zahlungen möglichst gering zu halten, wenn möglich zu vermeiden. An verschiedenen Stellen wird das Vorliegen von Voraussetzungen für die Zahlung bestritten, über den Begriff des Vorschadens oder der Mitwirkung die Leistung gekürzt oder auch mit der Behauptung von Falschauskünften die Leistung verweigert oder vom Vertrag zurückgetreten.
Jedoch sollte man sich nicht allein auf die Beurteilung durch die Versicherung verlassen oder sich gar einschüchtern lassen. Sollte man nicht weiter kommen empfiehlt es sich einen Anwalt um Rat zu fragen.
Vorliegen der Voraussetzungen
Zunächst muss tatsächlich ein Unfall vorliegen. Ein Unfall – definiert als plötzlich von außen auf den Körper des Versicherten einwirkendes Ereignis – im Sinne der Versicherungen liegt nicht vor, wenn die Ursache für den Schaden in einer Krankheit des Versicherten liegt (z.B. internistische Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Arthrosen, Diabetes, Infektionen etc.). Aber auch selbstverschuldete Unfälle, wie das Stolpern über die eigenen Füße oder solche, die auf Drogen- oder Alkoholeinfluss zurückgehen, sind ebenfalls nicht gedeckt. Auch bei Selbstverstümmelung ist eine Leistung der Versicherung ausgeschlossen. Oft bestreiten Versicherungen bereits das Vorliegen eines Unfalls. Die Beweislast liegt dabei grundsätzlich beim Versicherten.
Weiter kommt es darauf an, dass der Unfall ursächlich, sprich kausal, für den eingetretenen Schaden war. Liegt die Ursache in einem anderen Ereignis zahlt die Versicherung nicht. Dabei reicht für den Kausalzusammenhang, wenn das Unfallereignis an der eingetretenen Funktionsbeeinträchtigung mitgewirkt hat und diese Mitwirkung nicht gänzlich außerhalb aller Wahrscheinlichkeit liegt. Eine Vorerkrankung spielt für diesen Punkt der Kausalität grundsätzlich keine Rolle, selbst wenn sie am Unfall tatsächlich mitgewirkt hat. Altersgerechter Verschleiß darf dagegen nicht pauschal als Argument für Kürzungen genutzt werden, ist er nicht behandlungsbedürftig – und damit kein „regelwidriger Zustand“ – ist er kein Grund für Kürzungen.
Anders liegt es bei sogenannten Mitwirkung von „Krankheiten und Gebrechen“ des Versicherten. Dabei wird von Juristen „Krankheit“ definiert als regelwidriger Körperzustand, der eine ärztliche Behandlung erfordert und „Gerbrechen“ als abnorme Gesundheitszustände, die von dauerhaftem Charakter sind und entweder die Ausübung normaler Körperfunktionen teilweise oder vollständig behindern, oder bislang „stumm“ verlaufen sind. Häufig versuchen Versicherungen, die Ursache des Unfalls bzw. des Schadens in der Vorerkrankung zu suchen um eine Auszahlung zu vermeiden. Oder es wird von einer Mitwirkung ausgegangen und Leistungen entsprechend gekürzt. Von Gutachtern angenommene Vorerkrankungen oder ein von Versicherungen behaupteter hoher Mitwirkungsanteil führen dann zu ungerechtfertigten Kürzungen und beinhalten Streitpotential. Auch hier muss man die Einschätzung der Versicherung oder des Gutachters nicht widerstandslos hinnehmen.
Die Versicherungen haben das Recht, eigene Gutachter zu beauftragen. Eine Mitwirkung ist dringend angeraten, jedoch lässt sich das Ergebnis dieser Gutachten ebenfalls überprüfen und sollte nicht wortlos hingenommen werden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Gutachter im Zweifelsfall für die Versicherungen entscheiden, um von diesen weiter beauftragt zu werden. Auch hier ist bei Bedenken der Gang zum Anwalt sinnvoll. Zu beachten ist, dass der Versicherte den Arzt für den Nachweis seiner Invalidität, also der Schadensfolgen, selber beauftragen muss. Hierbei ist es sinnvoll, sich direkt an einen Facharzt zu wenden um den Grad der Invalidität feststellen zu lassen.
Behauptung von Falschauskünften
Zuletzt gibt es Versuche der Versicherungen, vom Vertrag zurückzutreten oder diesen anzufechten, mit der Behauptung, der Versicherte habe bereits bei Vertragsabschluss oder bei Antragstellung falsche Angaben gemacht. Auch auf Leistungsfreiheit wird sich dabei berufen. Leistungsfreiheit für die Versicherung besteht jedoch nur dann, wenn der Versicherte mit Wissen und Wollen, sprich vorsätzlich, falsche Tatsachen angegeben hat. Bei grober Fahrlässigkeit ist eine anteilige Kürzung möglich, jedoch muss die Versicherung den Versicherten schriftlich darauf hingewiesen haben (vgl. § 28 Abs. 4 VVG). Ein Rücktritt vom Vertrag wegen Falschbeantwortung vor Vertragsschluss unterliegt strengeren Kriterien: Zum einen muss der Versicherte vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Angaben gemacht haben und er muss sich an die zugrundeliegenden Tatsachen auch erinnern. Ein bloßes Erinnernmüssen reicht dabei nicht aus. Die Versicherung muss darüber hinaus den Versicherten explizit dazu befragt und ihn vor Vertragsschluss über die Folgen einer Anzeigepflicht in einer separaten schriftlichen Mitteilung hingewiesen haben.
Die Versicherung darf gem. § 31 VVG alle Auskünfte einfordern, die zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistungspflicht erforderlich sind. Auch hierbei können bei der Beantwortung Fehler unterlaufen. Zum einen braucht der Versicherte nur diejenigen Fragen beantworten, die ihm gestellt werden. Ein Tätigwerden seinerseits ist nicht erforderlich. Zum anderen kann eine Falschbeantwortung der Fragen zu einer Leistungsfreiheit der Versicherung führen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Versicherte durch gesonderte schriftliche Mitteilung darauf hingewiesen wurde und dass die Falschauskunft kausal für die Feststellung des Versicherungsfalls oder der Leistungspflicht war.
Die Taktiken der Versicherungen
Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass viele Versicherer bereits versuchen, sich entweder durch das Bestreiten des Unfallereignisses und/oder des Eintritts des Schadens, durch die Ausschlüsse sowie der Behauptung der Verletzung von Meldeobliegenheiten ihren vertraglichen Verpflichtungen zu entziehen.
Weitere Strategien sind das Behaupten von bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls bei der versicherten Person bestehenden Krankheit und Gebrechen. Hiervon sind jedoch altersgerechte Verschleißerscheinungen zu unterscheiden.
Auch über das Nachprüfungsrecht, das sowohl Versicherter als auch die Versicherungen bis zu drei Jahre nach dem Unfall haben, gibt es Versuche, den Invaliditätsgrad und damit die Leistungshöhe nachträglich zu senken.
Fazit
Nicht immer gehen die Versicherungen so vor, dass es dem Interesse des Versicherten entspricht. Vielmehr sehen sie ihre eigenen Interessen im Vordergrund und versuchen diese über die verschiedensten Wege durchzusetzen. Als Versicherter steht man diesem Vorgehen jedoch nicht schutzlos gegenüber. Alle Angaben, Behauptungen und Gutachten lassen sich überprüfen. Wenn man selber nicht weiterkommt, Bedenken hat oder von Anfang an auf der sicheren Seite sein möchte ist angeraten, sich anwaltliche Hilfe zu suchen.
Ein Beitrag von Janine Jakobi.
Erstellt am 20.09.2020
Unfallversicherung - privat und gesetzlich
Knapp 40% der Bevölkerung verfügt über eine private Unfallversicherung.
Separat hiervon besteht für Arbeitnehmer und freiwillig Versicherte Unfallschutz im Arbeitsbereich über die gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII).
Zu differenzieren ist zwischen der gesetzlichen und der privaten Unfallversicherung. Die gesetzliche für Arbeitnehmer, Schüler und Studenten greift bei Tätigkeiten mit beruflichem Kontext, die private gilt auch für Tätigkeiten zu Hause und in der Freizeit.
A. Private Unfallversicherung
Als Schadensversicherung gleicht sie Schäden aus, welche durch einen Unfall verursacht worden sind.
Die private Unfallversicherung ist im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) im 7. Kapitel in den §§ 178 ff. geregelt.
Der Begriff des Unfalls
Gemäß § 178 Abs. 2 S. 1 VVG handelt es sich bei einem Unfall um ein plötzlich von außen auf den Körper wirkendes Ereignis, durch welches unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung eintritt.
Plötzlich bedeutet, dass das Ereignis nur kurz und zeitlich begrenzt auftritt. Ausgeschlossen sind dadurch langwierige, gegebenenfalls über Jahre hinwegdauernde Prozesse.
Zudem muss die Einwirkung von außen auftreten. Interne körperliche Vorgänge sind nicht umfasst.
Was deckt eine Unfallversicherung ab?
Gemäß den Empfehlungen des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft (GDV e.V.) zu den AUB 2020 werden im Schadensfall folgende versicherbare Leistungen erbracht:
- Unfallrente
- Tagegeld
- Krankenhaustagegeld
- Todesfallleistung
- Kosten für kosmetische Operationen
- Kosten für Such-, Bergungs-, und Rettungseinsätze
Welche Leistungen konkret versichert wurden, ergibt sich aus dem Versicherungsschein.
Wichtig zu wissen: Die Leistungen werden unabhängig von einem Verschulden erbracht.
Was versteht man unter der Invaliditätsgradtabelle, der sog. Gliedertaxe?
Nach der Gliedertaxe bemisst sich, welchen Anteil die Versicherung im Schadensfall übernimmt.
Der GdV e.V. hat eine Empfehlung abgegeben, wie hoch die Anteile zu bemessen sind. Davon kann jedoch jede Versicherung abweichen und eigene Werte statuieren.
z.B.:
Arm | 70 % |
Hand | 55 % |
Daumen | 20 % |
Fuß | 40 % |
Große Zehe | 5 % |
Konkret kommt es auf die jeweiligen Versicherungsbedingungen an, die dem Vertrag zugrunde liegt.
Außerhalb dieser Gliedertaxe bei der Beeinträchtigung anderer Körperteile oder Sinnesorgane kann der persönliche Invaliditätsgrad am Maßstab einer Durchschnittsperson gleichen Alters und Geschlechts und ihrer Funktionsfähigkeit bestimmt werden.
Bei einem Teilverlust wird ein Sachverständiger hinzugezogen, welcher die verbleibende Funktionsfähigkeit bestimmt.
Bei mehreren Verletzungen kommt es zu einer Addition der Invaliditätsgrade. Die Invalidität kann maximal 100 Prozent betragen.
Sollte zuvor bereits eine Invalidität bestanden haben, findet eine Minderung des Invaliditätsgrades statt.
Geografischer Schutzbereich
Die maximale Altersgrenze hängt von dem jeweiligen Versicherer ab. Diese beträgt in der Regel zwischen 70 und 75 Jahren.
Jedoch bestehen schon ab einem Alter von 60 bis 65 Jahren Einschränkungen hinsichtlich der versicherbaren Leistungen. Die Zuschlagsprämien steigen zudem mit zunehmendem Alter.
B. Gesetzliche Unfallversicherung
Die gesetzliche Unfallversicherung ist eine Sozialversicherung gem. SGB VII und leistet ausschließlich bei Unfällen im beruflichen Kontext. Die Beiträge werden durch den Arbeitgeber entrichtet.
Besteht Versicherungsschutz im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung auch bei Arbeitswegen und einem Unfall im Homeoffice?
Auch bei einem Unfall im Homeoffice greift die gesetzliche Unfallversicherung. Den Weg zum Schreibtisch hat das Bundessozialgericht im Jahr 2021 als Arbeitsunfall eingestuft (Urteil vom 8. Dezember 2021, Az. B 2 U 4/21 R).
Hinsichtlich des Wegs in die Küche oder auf die Toilette besteht ebenfalls Schutz – im Jahr 2021 wurde durch eine Gesetzesänderung der Versicherungsschutz der Arbeitnehmer der Tätigkeit im Unternehmen gleichgestellt.
Was leistet die gesetzliche Unfallversicherung?
Die Unfallversicherung deckt auch Heilbehandlungsmaßnahmen und die medizinische Rehabilitation ab. Sie zahlt u.a. die Kosten für Krankengymnastik und für die häusliche Krankenpflege.
Auch Geldleistungen z.B. in Form von Lohnersatzleistungen und Versichertenrente werden erbracht. Im Todesfall erhalten Hinterbliebene eine Hinterbliebenenrente.
Quellen:
https://www.finanztip.de/unfallversicherung/gesetzliche-unfallversicherung/
https://www.allianz.de/vorsorge/unfallversicherung/gesetzliche-oder-private-unfallversicherung/
Kündigung der Unfallversicherung durch den Versicherer
Die Unfallversicherung kann durch den Versicherer ordentlich nach einer Leistung aufgrund eines Schadensfalls gekündigt werden.
Die Kündigungsfrist, welche in der Regel einen Monat beträgt, wird durch die Leistungserbringung des Versicherers ausgelöst.
Quelle: https://www.gdv.de/resource/blob/6252/f5121ebea18eb5800be7566316330293/01-allgemeine-unfallversicherungsbedingungen-aub-2020–data.pdf
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Fachanwalt für Medizinrecht und Versicherungsrecht